Zeitzeugeninterview

Zeitzeugeninterview in der Andreasstraße – Erinnerungen an die Stasi-Haft

Am Tag des offenen Denkmals fand in der Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße in Erfurt eine besondere Veranstaltung statt: ein Zeitzeugeninterview mit mir, das den Besuchern einen unmittelbaren Einblick in die Repressionsmechanismen der DDR eröffnete.

Die Andreasstraße, einst ein Gefängnis des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), steht heute als Ort der Erinnerung und Aufarbeitung. Unter der Leitung von Dr. Jochen Voit, Leiter der Gedenk- und Bildungsstätte, erhielten die Gäste eine Führung durch den historischen Zellentrakt – jene Räume, in denen politische Gefangene unter menschenunwürdigen Bedingungen inhaftiert waren.

Während der Besichtigung berichtete ich von meiner eigenen Verhaftung und Inhaftierung im Februar 1989. Dabei standen nicht nur die äußeren Umstände der Haft im Mittelpunkt, sondern auch die psychischen Belastungen: Verhöre, Isolation und der ständige Druck, der auf die Gefangenen ausgeübt wurde. Solche Schilderungen machen deutlich, wie perfide das System der SED-Diktatur funktionierte – es ging nicht nur um Freiheitsentzug, sondern auch um die systematische Zerstörung von Persönlichkeiten und Biografien.

Die Besucher zeigten sich tief beeindruckt und stellten zahlreiche Fragen: Wie konnte man trotz der repressiven Umgebung Widerstand leisten? Welche Rolle spielten Solidarität und gegenseitige Unterstützung unter den Gefangenen?

Solche Veranstaltungen sind ein wichtiger Beitrag zur Erinnerungskultur. Sie machen Geschichte greifbar und zeigen, dass die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit nicht abstrakt, sondern hochaktuell ist. Denn die Frage, wie eine Gesellschaft mit Unrecht umgeht und welche Lehren sie daraus zieht, betrifft uns alle.

Die Stiftung Ettersberg, die die Gedenkstätte trägt, leistet hier wertvolle Arbeit: Sie schafft Räume für Begegnungen, Diskussionen und kritische Reflexion – und sorgt dafür, dass die Erfahrungen der Opfer von Diktatur und politischer Gewalt nicht in Vergessenheit geraten.

Für mich als Zeitzeuge bedeutet es Verantwortung: Erinnern, um zu mahnen. Erzählen, um aufzuklären. Damit das Unrecht, das hinter den Mauern der Andreasstraße geschah, nicht wiederkehrt.


Öffentliche Anerkennung und brutale Repression

Bei diesem Zeitzeugeninterview, am 29. Juli 2025, war die Einblendung eines Zeitungsartikels aus der „Jungen Welt“ vom Januar 1989, in dem über meine Mode für Männer berichtet wurde.

Nur einen Monat nach dieser Veröffentlichung, am 14. Februar 1989, wurde ich verhaftet und in das Stasi-Gefängnis in der Andreasstraße in Erfurt gebracht. Diese unmittelbare zeitliche Nähe zwischen öffentlicher Anerkennung und brutaler Repression macht deutlich, wie willkürlich und zerstörerisch das System der SED-Diktatur war.

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